Umwandlung einer verwaltungsstrafrechtlichen Busse: Abkehr vom starren Umwandlungssatz in Art. 10 Abs. 3 VStrR durch Praxis
Das Bundesstrafgericht hat in mehreren jüngeren Entscheiden, namentlich SK.2023.47 vom 12. Dezember 2024 (hier abrufbar:https://bstger.weblaw.ch/pdf/20241212_SK_2023_47.pdf) und SK.2024.53 vom 24. Februar 2025 (hier abrufbar:https://bstger.weblaw.ch/pdf/20250224_SK_2024_53.pdf), seine Praxis gefestigt, bei der Umwandlung einer verwaltungsstrafrechtlichen Busse in eine Ersatzfreiheitsstrafe vom starren Umwandlungssatz von Fr. 30.-- pro Tag gemäss Art. 10 Abs. 3 Satz 1 VStrR abzuweichen. Stattdessen orientiert es sich an einem Umwandlungssatz, der der Logik der ursprünglichen Strafzumessung durch die Verwaltungsbehörde entspricht, insbesondere wenn die Busse als Verbindungsbusse in direkter Relation zu einer bestimmten Anzahl von Tagessätzen einer gleichzeitig verhängten Geldstrafe steht.
Sachverhalte (Zusammenfassung SK.2023.47 & SK.2024.53):
In beiden Fällen hatte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) die Gesuchsgegner unter anderem zu einer Busse verurteilt (Fr. 4'000.-- im Fall SK.2023.47; Fr. 4'200.-- im Fall SK.2024.53). Diese Bussen waren in den Strafbescheiden explizit als Verbindungsbussen ausgestaltet, die einer Reduktion der gleichzeitig ausgesprochenen (bedingten) Geldstrafen um eine bestimmte Anzahl Tagessätze entsprachen (20 Tagessätze à Fr. 200.-- im ersten Fall; 70 Tagessätze à Fr. 60.-- im zweiten Fall). Nachdem die Bussen uneinbringlich wurden, beantragte das EFD die Umwandlung in Ersatzfreiheitsstrafen von 20 bzw. 70 Tagen – also entsprechend den in den ursprünglichen Strafzumessungen implizierten Sätzen von Fr. 200.-- bzw. Fr. 60.-- pro Tag. Die Gesuchsgegner machten in den Umwandlungsverfahren keine Gründe für eine schuldlose Unfähigkeit zur Zahlung der Busse geltend (Art. 10 Abs. 2 VStrR).
Erwägungen des Bundesstrafgerichts:
Das Bundesstrafgericht bestätigte jeweils seine Zuständigkeit und die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Umwandlung, insbesondere die Uneinbringlichkeit der Busse. Im Zentrum der Erwägungen stand der Umwandlungssatz. Das Gericht verwies auf Art. 10 Abs. 3 VStrR, rekurrierte aber auf seine etablierte Rechtsprechung (TPF 2020 126, Beschluss SK.2022.18, und im Fall SK.2024.53 auch auf SK.2023.47 selbst), wonach eine Abweichung vom starren Satz von Fr. 30.-- sachgerecht sein kann. Entscheidend war für das Gericht, dass das EFD in seinen ursprünglichen Strafbescheiden die Höhe der Verbindungsbusse direkt an eine bestimmte Anzahl von Tagessätzen der Geldstrafe gekoppelt hatte. In Nachachtung dieser ursprünglichen Strafzumessungslogik und unter Berücksichtigung seiner früheren Entscheide erachtete es das Bundesstrafgericht als sachgerecht, bei der Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe den von der Verwaltungsbehörde implizierten Betrag pro Tag (Fr. 200.-- bzw. Fr. 60.--) heranzuziehen. Folglich wurden die Bussen antragsgemäss umgewandelt.
Kommentar:
Die Entscheide SK.2023.47 und SK.2024.53 des Bundesstrafgerichts zementieren eine konsistente Rechtsprechungslinie. Diese weicht von der rigiden Regelung des Art. 10 Abs. 3 VStrR ab, wenn dies zur Vermeidung stossender Ergebnisse und zur Wahrung der Verhältnismässigkeit geboten ist. Diese Praxis ist vor dem Hintergrund der Kritik an der veralteten Natur des in Art. 10 Abs. 3 VStrR normierten Umwandlungssatzes zu sehen.
Bemerkenswert ist, dass nicht allein das Gericht den gesetzlich vorgesehenen Umwandlungssatz von Fr. 30.-- als unpassend qualifiziert. Vielmehr hatte bereits die Verwaltungsbehörde (EFD) in ihrer ursprünglichen Strafzumessung die Verbindungsbusse explizit als Äquivalent zu einer bestimmten Anzahl von Tagessätzen (und deren Höhe) konzipiert. Indem das EFD im Umwandlungsverfahren folgerichtig eine Ersatzfreiheitsstrafe beantragte, die diesem internen Wertverhältnis entsprach, signalisierte es selbst, dass der Gesetzeswortlaut von Art. 10 Abs. 3 VStrR (der zu deutlich längeren Ersatzfreiheitsstrafen geführt hätte) dem Sinn der ursprünglichen Sanktion widersprechen würde.
Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit der im Schrifttum geäusserten Kritik, wonach die fortbestehende Existenz des starren Umwandlungssatzes in Art. 10 Abs. 3 VStrR ein gesetzgeberisches Versehen ("Übersehen") darstellt, insbesondere nach den Revisionen des Allgemeinen Teils des StGB, die auf eine verschuldensgerechtere Ausgestaltung der Sanktionen und deren Umwandlung abzielten. Der ursprüngliche Gesetzgeber des VStrR beabsichtigte im Grunde eine Angleichung an das damalige System des StGB. Die starre Umwandlungsregel des Art. 10 Abs. 3 VStrR steht im Widerspruch zur im Kernstrafrecht verfolgten Idee, dass die Ersatzfreiheitsstrafe das Verschulden widerspiegeln soll, was bei Geldstrafen durch den Rückgriff auf die Anzahl Tagessätze gewährleistet wird (Art. 36 Abs. 1 StGB). Das Vorgehen des Gerichts kann als Konkretisierung des Gedankens einer teleologischen Reduktion oder als Füllung einer "unechten Lücke" interpretiert werden, um eine sachwidrige und stossende Konsequenz der strikten Gesetzesanwendung zu vermeiden.
Zusammenfassend ist die gefestigte Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts zu begrüssen. Sie zeigt einen pragmatischen und auf materielle Gerechtigkeit ausgerichteten Umgang mit den Unzulänglichkeiten des Art. 10 Abs. 3 VStrR. Die Entscheide unterstreichen die Notwendigkeit einer umfassenden Überarbeitung von Art. 10 VStrR, wie sie im Schrifttum seit langem gefordert wird, um die Umwandlung von verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen an die Grundsätze des Kernstrafrechts anzugleichen und eine rechtsgleiche Behandlung der Verurteilten zu gewährleisten.
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