Aufsatz von Frédéric Muskens zu Art. 89 HMG
Interessanter Aufsatz von Frédéric Muskens in der contra legem 2022, S. 53 ff., zum Thema "Eigenständigkeit oder Abhängigkeit von Art. 89 HMG?" (hier abrufbar: https://www.contralegem.ch/2022/06/27/eigenst%C3%A4ndigkeit-oder-abh%C3%A4ngigkeit/#top). Zwar geht es hier vorrangig um die Anwendung von Art. 89 HMG durch die kantonalen Strafbehörden, also nicht um Verwaltungsstrafrecht - man erfährt aber gleichwohl auch viel verwaltungsstrafrechtlich Relevantes. Muskens kommt im Endeffekt zu dem Ergebniss, dass Art. 89 Abs. 1 HMG auch in kantonalen Verfahren Anwendung findet, da die Norm als Ergänzungsnorm konzipiert wurde und Art. 89 Abs. 2 HMG mit dem Hinweis auf Art. 7 VStrR nur die Basis seiner Anwendung statuiert und keine Derogation darstellt. Deswegen beträgt die Busse, welche die kantonalen Strafbehörden dem Unternehmen in Anwendung von Art. 89 HMG auferlegen können, maximal 20 000 Franken. Ich teile diese Ansicht.
Muskens schliesst seine Ausführungen mit einer Fundamentalkritik an den in mittlerweile verschiedenen Gesetzen auffindbaren Erweiterungen von Art. 7 VStrR (vgl. etwa Art. 49 FINMAG, Art. 100 MWSTG, Art. 125 ZG, Art. 89 HMG etc.). Diese seien als besonders problematisch zu erachten, da der Mechanismus eine schuldunabhängige Bestrafung des Unternehmens erlaubt, ohne dass dies durch Gründe der Verfahrensökonomie in Bagatellfällen gerechtfertigt wäre. Auch dem ist zuzustimmen, allerdings zwingen praktische Gründe - leider! - zu einer differenzierteren Sicht: Zwar sind Art. 7 VStrR und seine Erweiterungen (wegen Verstoss gegen das Schuldprinzip) dogmatisch sehr problematisch, für das Verwaltungsstrafrecht und dessen Praxis in seiner geltenden Form aber unerlässlich. Dem liegt folgender Grundgedanke zugrunde: Der Regelungsmaterie des VStrR unterfallen im Grundsatz Personen, für welche eine Verurteilung (sogar eine solche, welche nicht im Strafregister eingetragen wird) einer «beruflichen Todesstrafe» gleichkommt. Denn sie verlieren – nicht nur kurzfristig – ihren erlernten und ausgeübten Beruf und finden in diesem auch keinen neuen. Die ausserstrafrechtliche Wirkung des Verwaltungsstrafrechts ist deswegen oftmals ungleich härter als jene des Kernstrafrechts. Betroffen sind etwa die fachtechnisch verantwortliche Person (im Heilmittelstrafrecht), Compliance- und Geldwäschereispezialisten (im Finanzmarktstrafrecht) etc. Da beinahe jede Verwaltungsstraftat auch fahrlässig begehbar ist, ist der Ahndungsrahmen sehr weit. Es braucht deswegen ein Konstrukt, welche die zutiefst negativen Auswirkungen einer verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilung auf das Individuum abfedern kann – dies ist – in vielen Fällen – der bisherige Art. 7 VStrR und seine Erweiterungen. Dies vor allem auch deswegen, weil Art. 52 und 53 StGB - contra legem! - nur selten Anwendung finden und man deswegen sogar dankbar ist, wenn dogmatisch falsche Normen zur Anwendung gelangen.
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