Finanzmarktstrafrecht 2022/2023
I. BStGer CA.2021.27 v. 31. Oktober 2022 (Vorwurf Tätigkeit als Effektenhändler ohne Bewilligung)
Problemfelder:
- Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit dem letzten Effektenhandel
- Verjährungsfrist: Nach EFD 10 Jahre (plus Unterbrechungsmöglichkeit nach Art.11 Abs. 3 VStrR), vom BStGer offengelassen
- Im Aufsichtsverfahren stellte BVerwGer fest, dass ohne Bewilligung gewerbsmässiger Effektenhandel betrieben und somit Art. 10 Abs. 1 aBEHG verletzt wurde → Bindungswirkung des Bundesstrafgerichts (vgl. auch BGer 6B_63/2017 v. 17.11.2017, E. 2)
- Relevante Beweismittel sind FINMA-Akten: Befragung ohne Hinweis auf Aussageverwei-gerungsrecht → unverwertbar (vgl. auch TPF 2021 183)
Besonderheiten:
- Beschuldigter erschien nicht zur Berufungsverhandlung → sofortiges Abwesenheitsverfahren (vgl. auch Art. 76 Abs. 1 VStrR)
- Die Verteidigung liess die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Ersatzforderung rechtskräftig werden
II. BStGer BE.2021.11 v. 11. Januar 2023 (Vorwurf Art. 37 GwG – Entsiegelung gem. Art. 50 VStrR)
Problemfelder:
- Schutzwürdige Geheimnisinteressen/andere gesetzliche Entsiegelungshindernisse: Bankkundengeheimnis und Geschäftsgeheimnis stehen einer Entsiegelung nach st. Rspr. nicht entgegen (anders, wenn völlig unbeteiligten Bankkunden genannt sind, wobei diese bereits über den fehlenden Deliktskonnex auszusondern sind);
- nemo tenetur steht Entsiegelung auch dann nicht entgegen, wenn die FINMA das jeweilige Dokument mit der Einreichung der Strafanzeige an das EFD selbst schwärzte.
Aufpassen:
- Offenbar geht das BStGer davon aus, dass es keine förmliche (Verwirkungs-)Frist zur Einreichung des Entsiegelungsgesuchs analog Art. 248 Abs. 2 StPO gibt - BGer 1B_432/2021 v. 28. Februar 2022 sieht das nach meinem Dafürhalten aber anders (vgl. E. 3.3)
- Immer auf potentielle Verjährung der Anlasstat achten und Art. 11 Abs. 3 VStrR im Blick haben
III. BStGer BV.2022.49 v. 31. März 2023 (Vorwurf Art. 37 GwG – Ausstand gem. Art. 29 VStrR)
Problemfelder:
-
In Bezug auf die Entscheidung nach Art. 62 VStrR (Einstellung oder Strafbescheid) befürwortet das BStGer das sog. Trennungsmodell («Verwaltung» entscheidet, nicht der Untersuchungsleiter), a.A. BSK VStrR-Burri/Ehmann, Art. 62 N 3): Konzentrationsmodell resp. EFD: «Mischmodell».
-
Beim Trennungsmodell darf die entscheidende Person nicht massgeblich vorbefasst sein, sonst besteht ein objektiver Anschein der Befangenheit.
-
Die Feststellung von Ausstandsgründen hat nicht zur Folge, dass die den Ausstand feststellende Behörde die Amtshandlungen, an denen eine zum Ausstand verpflichtete Person mitgewirkt hat, aufhebt oder für nichtig erklärt. Die Aufhebung und Wiederholung solcher Amtshandlungen erfolgen nur, wenn dies von einer Partei innert 5 Tagen verlangt wird, nachdem sie vom Entscheid über den Ausstand Kenntnis erhalten hat (Art. 60 StPO analog).
Aufpassen:
- Offenbar geht das EFD davon aus, dass sich eine mögliche Befangenheit der handelnden Personen aus dem (online) Staatskalender ergeben solle.
Teilen:
Beitrag kommentieren
Ihr Kommentar wird nach einer Prüfung freigeschaltet.