Finanzmarktstrafrecht (Art. 44 FINMAG)
Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts hatte über eine erstinstanzliche Veurteilung eines Berufungsklägers zu entscheiden, dessen Gesellschaft nach Durchführung eines Initial Coin Offering zwischen 28. Dezember 2017 und 12. Februar 2018 berufsmässig Token ins private Wallet der jeweiligen Investoren übertragen und dadurch als Zahlungsmittel ausgegeben habe. Dabei soll sich der Berufungskläger vorab keiner anerkannten Selbstregulierungsorganisation angeschlossen oder über keine Bewilligung der FINMA verfügt haben. Mit Urteil vom 1. Dezember 2022 sprach das Gericht den Berufungskläger der vorsätzlichen Tätigkeit als Finanzintermediär ohne Bewilligung gemäss Art. 44 Abs. 1 FINMAG i.V.m. Art. 14 GwG schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 180 (Vorinstanz: 150) Tagessätzen (CA.2022.10 - hier abrufbar: https://bstger2.weblaw.ch/pdf/20221201_CA_2022_10.pdf).
Streitfrage war, ob dem anwaltlich beratenen Berufungsklägers bekannt gewesen war resp. bewusst gewesen sein musste, dass es sich beim ausgegebenen Token um ein Zahlungsmittel handelt, mithin ob ein vorsätzliches Fehlverhalten vorlag. Mit dem Fintech-Desk der FINMA war man diesbezüglich in engem Kontakt, eine entsprechend bejahende FINMA-Wegleitung erging indes erst am 18. Februar 2018. Die Berufungskammer bejaht ein solch vorsätzliches Fehlverhalten:
"Es erscheint sodann merkwürdig bzw. inkonsequent, wenn der Beschuldigte und sein Rechtsberater absolut überzeugt gewesen sein wollen, dass die Ausgabe des Tokens nicht dem GwG untersteht, dann aber dennoch einen KYC-Prozess durchführen liessen. (...) Dieses Vorgehen zeigt ebenfalls, dass bei den Verantwortlichen der B. zumindest ansatzweise von Beginn weg ein Bewusstsein für eine allfällige Problematik betreffend Anwendbarkeit des GwG vorhanden war. Die Behauptung, man habe keinerlei Hinweise auf eine Anwendbarkeit des GwG bei Ausgabe desToken gehabt, ist nicht haltbar." (E. 5.6.3.2)
Zwar sei richtig, dass die FINMA nicht sofort einschritt mit einer konkreten Anweisung, das ICO bzw. die Ausgabe des Token zu stoppen, aber:
"Die Mitteilung der Enforcement-Abteilung der FINMA, dass sie eine Prüfung der Rechtsmässigkeit vornehme, und deren Hinweis auf die Strafbarkeit der Nichteinhaltung der Finanzmarktgesetze mussten jedoch bereits als ein solches, rotes Signal gewertet werden. Mit der Ausgabe der Token ohne Abwarten der Antwort der FINMA und ohne Anschluss an eine SRO wurde bewusst ein Risiko eingegangen." (E. 5.6.3.3)
Auch soll eine Verurteilung nicht gegen das Bestimmtheitsgebot verstossen. Zwar fehlte es im Jahre 2017 - anders als heute Art. 4 Abs. 1bis lit. c GwV - an einer gesetzlichen Regelung, welche Token als Zahlungsmittel qualifiziert. Allerdings könne hieraus noch nicht geschlossen werden, dass "die Bestimmung (...) zuvor derart unklar gewesen [sei], dass sie das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot verletzt habe. Die Auslegungen nach den damals wie heute gängigen Grundprinzipen der Geldwäschereigesetzgebung liess vorliegend auch nach der Formulierung von Art. 4 Abs. 1 lit. b aGwV vernünftigerweise keinen anderen Schluss zu, als dass das GwG bereits im Zeitpunkt der Ausgabe Anwendung finden muss, da die Sorgfaltspflichten zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr nachgeholt werden können." (E. 6.4.2).
Zuletzt soll auch kein Verbotsirrtum vorliegen. Der vormalige Rechtsanwalt des Berufungsklägers - im Fintech-Bereich hochspezialisiert - "hatte kein Gutachten erstellt, das den Sachverhalt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft hätte. Spätestens nach dem Schreiben der FINMA, Geschäftsbereich Enforcement, vom 5. Dezember 2017, in welchem darauf hingewiesen wurde, dass die B. eine nach den Finanzmarktgesetzen bewilligungspflichtige Tätigkeit ausüben könnte und Fragen zum ICO und der Verwendung des M. als Zahlungsmittel stellte, hätte der Beschuldigte an der Rechtsmässigkeit des ICO zweifeln müssen. Er durfte sich unter diesen Umständen nicht ohne weiteres auf den für die B. günstigen juristischen Rat verlassen." (E. 6.5.2).
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