Verwaltungsstrafrecht

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Das Steuerstrafrecht steht im scharfen Spannungsfeld der EMRK, was von den Steuerbehörden bis heute faktisch komplett ausgeblendet wird, dabei bricht Völkerrecht Staatsrecht.
Es braucht auch keine Diskussion mehr über die Qualifikation von Verwaltungsstrafrecht und Steuerstrafrecht. Beides ist anerkanntermassen Strafrecht, wofür die EMRK-Schutzrechte gelten.

Besonders verdächtig sind Verfahren nach Verwaltungsstrafrecht, wenn der Strafdienst MWST oder die ASU (Abteilung für Strafsachen und Untersuchung) aktiv werden.
Der Beitrag von Andreas Bigler (Strafdienst MWST/ESTV) ist ein schönes Beispiel für ein EMRK-widriges Verfahren zum Nachteil der Betroffenen. So gesteht Bigler offen ein, dass der Strafdienst MWST quasi in Personalunion ermittelnde Behörde, urteilende Behörde und anklagende Behörde sein kann. Dem ist natürlich entschieden zu widersprechen.
Es lohnt sich einen Blick auf die Rechtsstaatlichkeit und EMRK-Verträglichkeit einer solchen Untersuchung zu werfen.
Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK hat jeder Bürger Anspruch darauf, dass seine Sache von einer unabhängigen Instanz untersucht wird. Dies gilt nicht nur für das Gerichtsverfahren, sondern gilt auch für das gesamte Vorverfahren. Dieser Anspruch erscheint nur logisch und konsequent, wird aber in den MWST-Strafverfahren wie auch im Verfahren nach Art. 190ff DBG (Besondere Untersuchung in schweren Steuerhinterziehungsfällen) in krasser Weise billigend ausgeblendet. Ins Bild passt da auch, dass die Verfahrensleiter hemmungslos und unter Ausserachtlassung der Informations-, Teilhabe- und Beteiligungsrechte der Betroffenen mit Dritten (z.B. Kant. Steuerämter) kommunizieren. Dem MWST-Strafdienst und der ASU gehen jegliches Distanzgefühl abhanden; man versucht gar nicht erst „Unabhängigkeit“ im Verfahren zu gewährleisten.

Die ASU wie auch der MWST-Strafdienst sind eine integrierte Abteilung der ESTV. Faktisch ermittelt das „angebliche Opfer“ ESTV einfach in eigener Sache. Es verwundert daher nicht, dass solche Untersuchungen von einem interessengeleiteten Automatismus der jeweils handelnden Beamten getragen werden. Naiv ist, wer hier von einem fairen, objektiv nachvollziehbaren Verfahren spricht. Das Verfahren ist von Anfang an zum Nachteil der Betroffenen vorgespurt. Wer etwas anderes behauptet, verkennt den Wirkungszusammenhang.
ASU und MWST-Strafdienst sind unter keinen Umständen unabhängig und verletzen in überdeutlicher Weise Art. 6 Abs. 1 EMRK. Dass sich nämlich die ASU und MWST-Strafdienst in Widerspruch zu ihren eigenen Arbeitshypothesen zu Gunsten des Betroffenen setzen, erscheint allenfalls theoretisch denkbar.
Jedem Betroffenen kann daher nur der dringende Ratschlag erteilt werden, im Falle einer ASU oder MWST- Strafuntersuchung konsequent die Aussage zu verweigern, sich auf keinen Fall materiell einzulassen und sich konsequent auf die EMRK-Widrigkeit des Verfahrens zu berufen.

Es verwundert insgesamt, dass bisher in Beschwerdeverfahren kaum je auf die EMRK-Widrigkeit solcher Verfahren hingewiesen wurde. Mit Spannung erwarte ich den ersten Entscheid des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte), der diesem EMRK-widrigen Treiben der ASU und des MWST-Strafdienstes endlich ein klares Ende setzt.
In einem Rechtsstaat, der diesem Anspruch genügen will, haben „Spezialabteilungen " wie die ASU oder MWST-Strafdienst überhaupt nichts verloren – solche Spezialabteilungen gehören schlicht und einfach aufgelöst.
Es stünde dem Rechtsstaat Schweiz gut an, endlich die gesetzliche Grundlage für ein faires, unabhängiges und EMRK-taugliches Steuerstrafverfahren zu schaffen. Mit dem EMRK-widrigen Einsatz der ASU und des MWST-Strafdienstes kann die Schweiz jedenfalls „keine Preise“ gewinnen.

Marcel Wieser, lic.phil.I, Treuhänder FA
WIPA Treuhand AG
Heiligkreuzstrasse 7, 9008 St.Gallen

Marcel Wieser, 17.07.19