Ratenzahlungsvereinbarung (erst) nach erstinstanzlicher Anordnung des Ersatzfreiheitsstrafenvollzugs (Art. 10 VStrR)
Besprechung des Beschlusses BKBES.2020.163 des Obergerichts Solothurn vom 13. Januar 2021
Sachverhalt
Der Entscheid betrifft einen Beschwerdeführer, welcher im Oktober 2018 wegen Widerhandlungen gegen das ehemalige Spielbankengesetz mit einem verwaltungsstrafrechtlichem Strafbescheid (wohl der Eidgenössischen Spielbankenkommission, ESBK) zu einer Busse von Fr. 17'200.-- verurteilt worden ist. Da die Busse in der Folge – trotz der Anhebung einer Betreibung gegen den Beschwerdeführer – uneinbringlich geblieben ist, wurde sie auf Antrag der ESBK von der Präsidentin des Richteramts Dorneck-Thierstein in Anwendung von Art. 10 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) in eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe von 90 Tagen umgewandelt. Während der Beschwerdeführer im (erstinstanzlichen) gerichtlichen Umwandlungsverfahren untätig blieb und von seinem Anhörungsrecht keinen Gebrauch machte, gelangte er nach der präsidialen Umwandlungsverfügung an die Eidgenössische Finanzverwaltung (EZV), schloss mit ihr eine Ratenzahlungsvereinbarung über den Bussenbetrag ab und beglich einen ersten Anteil von Fr. 600.--. Danach wandte er sich mit einer Beschwerde gegen die erstinstanzliche Umwandlungsverfügung an das Obergericht und beantragte sinngemäss, anstelle des Vollzugs der (Ersatz-)Freiheitsstrafe sei die Bezahlung der Busse in Raten zuzulassen.
Erwägungen und Entscheid des Obergerichts Solothurn
Das Obergericht erwog, es sei zu prüfen, ob eine nachträgliche Bezahlung eines Teils einer Busse und der Abschluss einer Ratenvereinbarung den Vollzug der erstinstanzlich verfügten (Ersatz-)Freiheitsstrafe hindere.
Das Obergericht bereitete den (argumentatorischen) Boden zur Beantwortung dieser Frage zunächst mit den Feststellungen, dass Art. 10 Abs. 3 VStrR eine verhältnismässige Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe bei Teilzahlungen der Busse vorsehe und dass Abs. 4 derselben Bestimmung gar ausdrücklich die Möglichkeit einer Begleichung der Busse (und damit den Hinfall der Ersatzfreiheitsstrafe) nach richterlichem Umwandlungsentscheid ermögliche. Weiter stellte das Obergericht in Einklang mit einem bundesgerichtlichen Leiturteil (BGE 103 Ib 188) fest, dass – auch wenn dies dem Gesetzeswortlaut nicht direkt entnommen werden kann – nach dem Sinn und Zweck, welcher aus der gesetzlichen Konzeption von Art. 10 Abs. 3 und 4 VStrR fliesse, auch nach dem richterlichen Umwandlungsentscheid Teilzahlungen an die Busse geleistet werden können, welche die Umwandlungsstrafe in ihrem Verhältnis zum Gesamtbussenbetrag dahinfallen lassen.
Nach diesen Feststellungen musste das Obergericht die durch Gesetz und Rechtsprechung "vorgespurten Gewässer" jedoch verlassen und sich auf den "Pfad der freien Rechtsfindung" begeben. Denn die Frage, ob die durch den Abschluss der Ratenvereinbarung "demonstrierte blosse Bereitschaft" zur Bezahlung der Busse den Vollzug der Freiheitsstrafe hindert, ist mit diesen Grundlagen allenfalls angeklungen, aber nicht abschliessend beantwortet. Mit Bezug auf die Erwägungen des herangezogenen Bundesgerichtsurteils machte das Obergericht geltend, dass für die "Zulässigkeit einer Ratenvereinbarung nach Bussenumwandlung" (bzw. wohl besser: für die vollzugshemmende Wirkung einer nach dem gerichtlichen Umwandlungsentscheid vereinbarten Ratenzahlung) folgende Argumente sprächen:
- der primäre Charakter der Busse gegenüber dem blossen Ersatzcharakter der Freiheitsstrafe,
- die fiskalischen Interessen des Verwaltungsstrafrechts sowie
- die Tatsache, dass das Bundesgericht die erst durch die Bussenumwandlung geschaffene Bereitschaft, eine Busse zu bezahlen, ausdrücklich als nicht rechtsmissbräuchlich qualifiziert habe.
Hingegen könne – so führte das Obergericht als Gegenargument ins Feld – dagegen angeführt werden, dass durch den Abschluss einer solchen Vereinbarung ein Aufschub des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe erreicht werden könne, wobei die vollständige Bezahlung der Busse nicht gesichert sei.
In der Gesamtabwägung setzten sich beim Obergericht - mit Verweis auf die (wohl notorische) Tatsache, dass gewissen Fällen erst durch den drohenden Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe die Motivation zur Bezahlung der Busse geschaffen werde - die auch rein zahlenmässig überwiegenden Argumente durch, wonach die nachträgliche Vereinbarung einer Ratenzahlung «zulässig» bzw. vollzugshemmend sei. Die Ratenzahlung einer Busse auch nach der Umwandlung derselben in eine Ersatzfreiheitsstrafe erweise sich demnach «in Anwendung von Art. 10 Abs. 4 VStrR» als zulässig. Demzufolge beschloss das Obergericht, dass die Beschwerde teilweise gutzuheissen sei und dass der vorinstanzliche Gerichtsentscheid in dem Sinne abzuändern sei, dass der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe solange aufgeschoben werde, als der Beschwerdeführer die Raten gemäss der Zahlungsvereinbarung mit der EZV fristgerecht bezahle. Im Fall der Nichtbezahlung auch nur einer Rate sei die Ersatzfreiheitsstrafe unter Anrechnung der bereits bezahlten Beträge zu vollziehen.
Persönlicher Kommentar
Auch wenn die Argumentation des Entscheids teilweise etwas abstrakt daherkommt («fiskalische Interessen des Verwaltungsstrafrechts»), überzeugt der obergerichtliche Beschluss im Ergebnis. Als weiteres Argument für die vollzugshemmende Wirkung einer Ratenzahlungsvereinbarung nach richterlichem Umwandlungsentscheid kann ins Feld geführt werden, dass letztendlich niemandem - weder dem «Strafbedürfnis der Gesellschaft» noch dem Verurteilten - gedient ist, wenn anstelle einer ratenweisen Bussenzahlung ein kostenträchtiger Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe stattfindet, der die Allgemeinheit mehrere hundert Franken pro Tag kostet (Das Obergericht des Kantons Solothurn mag allenfalls vom gleichen Gedanken geleitet gewesen sein, wenn es vom «primären Charakter der Busse gegenüber dem blossen Ersatzcharakter Freiheitsstrafe spricht»). Aus dieser Überlegung habe ich an anderer Stelle, namentlich bei einer Kommentierung zu den kernstrafrechtlichen Umwandlungsbestimmungen in Art. 35/36 StGB, dafür plädiert, den im Vergleich zum Verwaltungsstrafrecht weitaus strengeren Gesetzestext grosszügig als «Ordnungsvorschrift» zu interpretieren und bei Verstössen gegen die gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfristen bisweilen ein Auge zuzudrücken (vgl. Graf Damian [Hrsg.], StGB, annotierter Kommentar, N 6 zu Art. 35). Als Argument gegen die Entscheidung des Obergerichts könnte hingegen angeführt werden, dass durch die Möglichkeit einer vollzugshemmenden Vereinbarung einer Ratenzahlung nach dem gerichtlichen Umwandlungsentscheid das erstinstanzliche Gerichtsverfahren entbehrlich, gewissermassen zur «Farce», wird, der man sich als zur Busse verurteilte Person - auf den ersten Blick - ohne weitere Konsequenzen entziehen könnte. Bei zweitem Hinsehen allerdings habe ich die Entscheidung des Obergerichts so verstanden, dass der vorinstanzliche Entscheid betreffend die erstinstanzlichen Gerichtsgebühren (die mutmasslicherweise zulasten des Beschwerdeführers verlegt worden sein dürften) nach wie vor bestehen bleibt, womit auch ein solches Gegenargument gegen die vollzugshemmende Wirkung einer nachträglichen Ratenzahlungsvereinbarung - gleich wie das vom Obergericht angeführte - kraftlos bleibt.
Teilen:
Beitrag kommentieren
Ihr Kommentar wird nach einer Prüfung freigeschaltet.