Allgemeine Fragen des Verwaltungsstrafrechts/Übertretungen nach Spielbankengesetz
Das Obergericht des Kantons Zürich befasst sich in seinem Urteil vom 12. Juni 2017 (SU160025-O; abrufbar unter: http://www.gerichte-zh.ch/fileadmin/user_upload/entscheide/oeffentlich/SU160025-O1.pdf) mit zahlreichen Fragen rund um das Spielbankenstrafrecht.
Dem zugrund lag ein Verwaltungsstrafverfahren, welches die Eidgenössische Spielbankenkommission seit Ende 2008 gegen den Betroffenen wegen des Vorwurfs einer Widerhandlung gegen Art. 56 Abs. 1 lit.c SBG führte. Der brachte im schriftlich geführten Berufungsverfahren im Wesentlichen folgende Verteidigungsargumente vor:
- Verjährung: der Betroffene argumentierte, dass die ihm vorgeworfene Tat bereits verjährt sei, betrage die Verfolgungsverjährungsfrist doch lediglich sechs Jahre. Das Obergericht hält dem - zu Recht - entgegen, dass die Verjährungsfrist gemäss Art. 57 Abs. 2 SBG iVm Art. 333 Abs. 6 StGB und st. bundesgerichtlicher Rechtsprechung sieben Jahre betrage. Fraglich war im konkreten Fall nun, ob diese sieben Jahre bereits abgelaufen waren. Auch diesbezüglich bezieht sich das Obergericht auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung. Im Gegensatz zur Verjährungsdauer vermag diese freilich in keiner Weise zu überzeugen, stellt sie doch auf die Ausfällung der Strafverfügung ab (und nicht auf das erstinstanzliche Urteil - an dieser Stelle sei auf den Blogeintrag vom 01.02.2018 verwiesen, abrufbar unter: http://verwaltungsstrafrecht.ch/de/kategorien/materielles-recht/die-verjahrung-im-verwaltungsstrafrecht-besprechung-des-bundesgerichtsentscheids-6b2072017-von-macalusogarbarski-ajp-2018-1-s-117-122 ). Diese erging im konkreten Fall im Juni 2015, weswegen noch keine Verjährung eingetreten war.
- Befangenheit: Weiter bringt der Betroffene vor, dass die ESBK in Bezug auf den Erlass der vorerwähnten Strafverfügung mit Einfluss auf die Verjährung befangen sei. Denn sie habe ja bereits die Untersuchung geführt. Das Obergericht folgt auch diesem Argument nicht. Dabei bezieht es sich auf die Rechtsnatur des Verwaltungsstrafverfahrens, dem es eigen sei, dass sowohl die Untersuchung als auch die erste Beurteilung von Bussensachen von derselben Bundesverwaltungsbehörde vorgenommen werde. Auch wenn Letzteres zutreffend ist, so stellt sich das geltende Verwaltungsstrafverfahren doch als besonders krasse Ausprägung der Inquisitionsmaxime dar, welche rechtsstaatlich mehr als bedenklich ist. Dies ist vor allem dann stossend, wenn man dem Entscheid der Bundesverwaltungsbehörde - wie dies das Bundesgericht macht - verjährungsverhindernde Wirkung zukommen lässt. Gleichwohl ist dies der derzeitige status quo im Verwaltungsstrafverfahren - es bleibt zu hoffen, dass sich hieran irgendwann einmal etwas ändern wird. Fraglich ist nur wann.
- Geltungsbereich von Art. 56 SGB: Der Betroffene bringt zudem vor, dass Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG im konkreten Fall gar nicht anwendbar sei, da sich die Bestimmung nur auf Spielbanken beziehe (und eben nicht auf die vom Betroffenen geführte Gastwirtschaft). Diese könne unter Bezugnahme auf den BGer-Entscheid 6B_709/2011 aus dem Wortlaut des Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG abgeleitet werden, welcher explizit darauf abstelle, dass sich strafbar mache, wer Glücksspiele "ausserhalb konzessionierter Spielbanken" betreibe. Das Obergericht lehnt dieses durchaus interessante Argument damit ab, dass es auf eine Auslegung der Norm gar nicht ankomme. Diese sei nur vorzunehmen, wenn dieser eine auslegungsbedürftige Lücke aufweise. Natürlich vermag diese Ansicht des Gerichts nicht zu überzeugen. Dies umso mehr nicht, als wenn der Wortlaut - wie hier - nicht eindeutig ist. In Widerspruch zu seiner vorangegangenen Argumentation stützt sich das Obergericht im Weiteren dann auch auf den Sinn und Zweck der Norm, der sämtliche Spielautomaten einer Vorführungspflicht unterwerfen will und es deswegen angeblich unsinnig wäre, wenn diese Pflicht nur Spielbanken, nicht aber Gaststätten treffen würde. Dabei verkennt das Gericht aber, dass es die ESTV selber war, die bei Privaten, die Glücksspielautomaten in ihren Räumlichkeiten aufstellten und deren Gebrauch zum Glücksspiel anböten, keine Möglichkeit sah, solches Verhalten durch den Übertretungsstraftatbestand nach Art. 56 Abs. 1 lit. c SBG zu erfassen, weil diese Bestimmung nur Spielsysteme und Glücksspielautomaten innerhalb konzessionierter Spielbanken erfasse; die Vorführungspflicht könne „nicht zum Gegenstand haben, einen Glücksspielautomaten vorführen zu müssen, der für den Betrieb ausserhalb von konzessionierten Spielbanken verwendet werden soll; denn diese Verwendung sei ohnehin schon gemäss Art. 4 Abs. 1 SBG per se verboten“ (BGer 6B_709/2011 v. 5. Juli 2012, E. 2.4.1). Hinzukommt: das Aufstellen von Glücksspielautomaten ist auch dem Privaten strafbar, aber eben nur nach Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG. Dieser war vorliegend aber eben nicht erfüllt.
- Rechts- bzw. Verbotsirrtum: Zuletzt argumentiert der Betroffene, dass er sich in einem entschuldigenden Rechtsirrtum befunden hätte, da ihm der Gerätelieferant glaubhaft versichert habe, dass der Betrieb des Automaten legal sei und dieser überprüft worden sei. In eimem Parallelverfahren habe das Bezirksgericht Zürich entschieden, dass die Wirte keine zusätzlichen Abklärungen hätten tätigen müssen. Das Obergericht tat dies - durchaus ein Einklang mit dem extrem restriktiven Verständnis des Bundesgerichts von Art. 21 StGB (der über Art. 2 VStrR Anwendung findet) - mit der Begründung ab, dass sich der Betroffene eben bei der zuständigen Behörde über die Qualifikation des Spielautomaten hätte informieren müssen, was er eben nicht tat. Er könne sich dann aber auch nicht auf einen Rechtsirrtum berufen.
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