Umwandlung von uneinbringlichen Geldstrafen im Verwaltungsstrafrecht
Sachverhalt
Der Beschuldigte wurde mit Strafverfügung des eidg. Finanzdepartements (EFD) vom 21. Februar 2018 wegen Widerhandlungen gegen das Bankengesetz zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen von je Fr. 100.-- sowie zu einer Busse von Fr. 20'000.-- verurteilt. Da diese Sanktionen nach Rechtskraft des Strafbefehls uneinbringlich blieben, beantragte das EFD deren Umwandlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe.
Der Einzelrichter am Bundesstrafgericht leistete diesem Umwandlungsbegehren Folge und wandelte sowohl die Geldstrafe wie auch die Busse je in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen, insgesamt 180 Tage, um.
Kommentar
Der vorliegende Kommentar bezieht sich auf die Tatsache, dass die bedingte Geldstrafe im Umfang von 360 Tagessätzen zu je Fr. 100.-- in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen umgewandelt worden ist. Dieses Vorgehen dürfte für eine Person, die sich vorwiegend mit dem "Kernstrafrecht" nach (Allgemeinen Bestimmungen des) StGB betätigt, überraschend erscheinen, besteht dort doch die Regel, dass bei Uneinbringlichkeit ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe entspricht (Art. 36 Abs. 1 StGB). Wer nun im Verwaltungsstrafrecht eine besondere Bestimmung bezüglich der Umwandlung von uneinbringlichen Geldstrafen sucht, um eine Erklärung dafür zu finden, wieso der Einzelrichter am Bundesstrafgericht nicht Art. 36 Abs. 1 StGB angewandt hat, wird bei schlichter Gesetzeslektüre nicht fündig werden. Eine solche gibt es nicht. Es besteht "lediglich" eine Regelung in Art. 10 VStrR, welche gemäss ihrer Marginalie die "Umwandlung der Busse", mithin einer im Kernstrafrecht von der Geldstrafe zu unterscheidenden pekuniären Sanktionsart, regelt. Vom (zu) eingeschränkten Wortlaut dieser Bestimmung darf man sich indessen nicht irreführen lassen. Denn nach bei historisch-systematischer Betrachtungsweise bestehen Anhaltspunkte dafür, dass Art. 10 VStrR sich auch auf die Umwandlung von uneinbringlichen Geldstrafen bezieht (vgl. Eicker/Frank/Achermann, Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungsstrafverfahren, Bern 2012, S. 70, 77). Diese Auslegung hat das Bundesgericht mittlerweile in einem im Jahr 2015 gefällten Grundsatzentscheid bestätigt (BGE 141 IV 407 E. 3.5.1). Art. 10 Abs. 3 VStrR schreibt einen "starren Umwandlungsschlüssel" vor: Von der "Busse" sind je 30 Franken in einen Tag "Haft" umzuwandeln, jedoch darf die "Umwandlungsstrafe" die Dauer von drei Monaten nicht übersteigen. Insoweit ist das auf den ersten Blick überraschende Verdikt aus Bellinzona absolut gesetzes- bzw. rechtsprechungskonform.
Die tatsächlichen Konsequenzen dieser Rechtsprechung vermögen jedoch kaum zu überzeugen, was in zugrunde liegender Konstellation deutlich zu Tage tritt: Augenfällig ist zunächst der Umstand, dass der Verurteilte durch die verwaltungsrechtliche Sonderbestimmung in Art. 10 Abs. 3 VStR dieserart "privilegiert" worden ist, indem er im Unterschied zu einem "Kernstraftäter" lediglich zu 90 Tagen anstelle zu 360 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt worden ist. Auf der Hand liegt, dass diese Regelung – insbesondere bei Personen, welche den Freiheitsentzug der Begleichung einer Geldschuld vorziehen – (Fehl-)Anreize setzen könnte und so die punitive sowie präventive Wirkung der Geldstrafe schmälert. Soweit man sich auf den Standpunkt stellt, eine derartige Ungleichbehandlung zwischen Verwaltungsstraftätern und Kernstraftätern könne deswegen hingenommen werden, weil sie nicht zulasten des Direktbetroffenen ausfällt, gilt es zu bedenken, dass ohne weiteres Konstellationen denkbar sind, in welchen diese bemerkenswerte Umwandlungsregelung zulasten der nach Verwaltungsstrafrecht verurteilten Person ausfällt: Bezahlt etwa eine Person, welche zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 150.-- verurteilt worden ist, die Geldstrafe nicht, wäre die Ersatzfreiheitsstrafe auf 100 Tage festzulegen. Der Verwaltungsstraftäter hat somit eine fünfmal längere Ersatzfreiheitsstrafe abzusitzen als der Kernstraftäter. Mithin bedeutet die Anwendung des Umwandlungssatzes von Art. 10 Abs. 3 VStrR, dass sich die Ersatzfreiheitstrafe bei einer Umwandlung einer Geldstrafe (wie auch einer Busse) de facto wesentlich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der verurteilten Person im Urteilszeitpunkt richtet. Dabei handelt es sich um einen Gesichtspunkt, welcher nach dem im Strafrecht fundamentalen Verschuldensprinzip für die Bemessung der Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe – wohl unumstritten – nicht massgebend sein dürfte. Durch die Anwendung von Art. 10 Abs. 3 VStrR werden die Vorzüge Tagsatzystems – das Auseinanderhalten von Tat- und Täterkomponente bei der pekuniären Strafe – im Vollzug geradezu sabotiert.
Ich habe an anderer Stelle bereits darauf hingewiesen, dass die historisch-systematische Auslegung, wonach Art. 10 Abs. 3 VStrR bei der Umwandlung von Geldstrafen Anwendung finden soll, nicht sachgerecht ist und, wie die kommentierte Verfügung des Bundesstrafgerichts exemplarisch verdeutlicht, zu willkürlich anmutenden, ungerechten Ergebnissen führt. Weiter habe ich aufgezeigt, dass das diesbezügliche bundesgerichtliche Präjudiz vermutungsweise dem Umstand geschuldet ist, dass es sich dabei um eine hinsichtlich der faktischen Konsequenzen wenig durchdachte (Hilfs-)Erwägung obiter dicta gehandelt hat, welche in der Sachverhaltskonstellation, die dem Bundesgerichtsentscheid zugrunde lag, keine Rechtswirkungen zeitigte (vgl. BSK VStrR, Art. 10 N 23). Die Entstehungsgeschichte macht deutlich, dass die fortwährende Existenz von Art. 10 Abs. 3 VStrR seit Inkrafttreten des revidierten Allgemeinen Teils des StGB anfangs 2007 – mithin seit bald 16 Jahren – ein gesetzgeberisches Versehen darstellt (BSK VStrR, Art. 10 N 11-15). Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass der Gesetzgeber im Zuge des laufenden Revisionsvorhabens des VStrR dies ebenso sieht und Art. 10 Abs. 3 VStrR zugunsten der im StGB-AT vorgesehenen Konvertierregelungen, wonach die Busse nach Ermessen des Richters und die Geldstrafe anhand der Zahl der Tagessätze umgewandelt wird, ersatzlos streicht – genauso, wie er bezüglich der noch bis Ende 2020 in Art. 10 Abs. 2 VStrR vorgesehenen Möglichkeit, die Ersatzfreiheitstrafe bedingt auszusprechen, verfahren ist.
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