Einsprache (Art. 50 Abs. 3 VStrR)
FINMA hat gegen die Verantwortlichen der Bank A. Strafanzeige beim EFD erstattet (Verdacht der pflichtwidrigen Unterlassung einer Verdachtsmeldung nach Art. 9 GwG). Ihrer Strafanzeige legte FINMA Dokumente bei, welche ihr zuvor von der Bank A. im aufsichtsrechtlichen Verfahren eingereicht worden waren. Gut ein Jahr nach der Strafanzeige, die zur Eröffnung eines Verwaltungsstrafverfahrens führte, beantragte Bank A. die Siegelung aller Unterlagen, welche das EFD von FINMA erhalten hatte. Bank A. machte geltend, vor der Durchsuchung der Unterlagen hätte ihr das Siegelungsrecht gewährt werden müssen. Darauf trat der zuständige Untersuchungsbeamte nicht ein. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Bank A. wies der Leiter Rechtsdienst EFD ab. Auch die dagegen geführte Beschwerde an die Beschwerdekammer (BK) des Bundesstrafgerichts blieb erfolglos (BStGer BV.2021.7 vom 22. März 2021; abrufbar unter: https://bstger.weblaw.ch/cache/pub/cache.faces?file=20210322_BV_2021_7.htm&ul=de).
Die BK verweist zunächst auf ihre beiden Beschlüsse BE.2020.6 und BE.2020.10 vom 21. Dezember 2021, die eine ähnliche Konstellation betrafen. Darin hatte die BK entschieden, dass die von FINMA an das EFD eingereichten Unterlagen nicht siegelungsfähig seien. Bank A könne sich nicht auf Interessen Dritter berufen und zudem seien die Unterlagen nicht Gegenstand einer eigentlichen Durchsuchung i.S.v. Art. 50 VStrR. Man könne sie zwar auf ihre Beweiseignung prüfen, wozu der untersuchende Beamte verpflichtet war. Sie könnten aber nicht beschlagnahmt werden. Zudem sei Bank A. weder beschuldigt noch Inhaberin der Unterlagen, zumal diese von FINMA zusammen mit der Strafanzeige eingereicht worden seien. Bank A. sei vielmehr Dritte und habe ein eigenes rechtlich geschütztes Interesse geltend zu machen, was sie unterlassen bzw. erst in der Beschwerde an die Beschwerdekammer nachgeholt habe. Unter Hinweis auf zwei Urteile des Bundesgerichts (1B_464/2019 vom 17. März 2020 E. 2.1 sowie 1B_464/2012 vom 7. März 2013 E. 3) sei daher nicht zu beanstanden, dass der untersuchende Beamte ausnahmsweise nicht auf das Siegelungsgesuch eingetreten sei. Abgesehen davon habe der untersuchende Beamte die fraglichen Unterlagen bereits eingesehen und verwendet. Der Zweck der Siegelung (Vermeiden der Kenntnisnahme durch die Behörden) habe somit gar nicht mehr erreicht werden können.
Das Hauptproblem im vorliegenden Fall liegt in der Tatsache, dass FINMA Unterlagen einer Bank als Beweismittel an eine Strafbehörde weiterleitet, die sie in einem aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen die Bank unter Mitwirkungspflicht der Bank erst erhältlich machen konnte. Würde sich die Strafanzeige auch gegen die Bank selbst richten, stellten sich die bekannten Fragen im Zusammenhang mit „nemo tenetur“ (vgl. dazu BGE 142 IV 207 E. 8). Richtet sich die Anzeige wie hier aber nicht gegen die Bank selbst, sondern gegen verantwortliche Mitarbeitende der Bank, stellen sich zunächst arbeitsrechtliche sowie daten- und persönlichkeitsrechtliche Fragen. Hinzukommen aber auch Fragen des Schutzes gesetzlicher Geheimnisse wie Bankkundengeheimnis oder Geschäftsgeheimnisse. Die Bank hat versucht, den Schutz der genannten Interessen über das Siegelungsrecht nach Art. 50 VStrR zu wahren. Mit der BK halte ich dafür, dass die Einsprache nach Art. 50 VStrR im vorliegenden Fall nicht zielführend sein konnte. Die Einsprache richtet sich gegen die Durchsuchung von Papieren, wovon hier keine Rede sein kann, weil die Durchsuchung von Papieren eine Beweiserhebungsmethode ist, während das Studium bereits eingereichter und zu den Akten genommener Papiere eine reine Auswertung bereits erhobener Beweise darstellt. Ob diese Beweise schliesslich auch verwend- und verwertbar sind, ist dagegen eine Frage der Beweiswürdigung, die dem Sachrichter vorbehalten ist. Es ist daher gut möglich, dass der Sachrichter dereinst auf die eingereichten Unterlagen nicht abstellen wird.
Dennoch hinterlässt der Beschluss der BK einen fahlen Nachgeschmack, zumal es möglich sein müsste, geheimnisgeschützte Informationen frühzeitig auszusondern (vgl. Art. 141 Abs. 5 StPO analog). Ein möglicher Ansatz wäre, dass FINMA sämtliche Unterlagen, die ihr aus einem aufsichtsrechtlichen Verfahren zugegangen sind, der Strafbehörde versiegelt einreicht oder es der Strafbehörde überlässt, sachdienliche Informationen selbst bei den zur Herausgabe verpflichteten Personen zu erheben. Damit würde FINMA ihre Anzeigepflichten erfüllen und den geheimnisgeschützten Personen zugleich ermöglichen, sich in einem Entsiegelungsverfahren für die Aussonderung einzusetzen.
Ebenfalls unbefriedigend ist die Rechtsprechung, wonach die Adressatin der Einsprache selbst entscheiden soll, ob sie darauf eintritt und entsprechend siegelt. Meines Erachtens hat jede Einsprache zwingend die Siegelung zur Folge. Es ist Sache des Richters (hier der BK), im Rahmen des Entsiegelungsverfahrens zu entscheiden, ob die Einsprache gültig ist und ob allenfalls zu entsiegeln ist.
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