Rechtsschutzinteresse bei Beschwerde gegen Hausdurchsuchung (Art. 48 f. VStrR)
Im Beschluss vom 4. September 2018 (BV.2018.8, BP.2018.42; abrufbar unter: https://bstger.weblaw.ch/pdf/20180904_BV_2018_8.pdf) befasst sich das Bundesstrafgericht mit der immer wiederkehrenden Frage nach der Zulässigkeit von Beschwerden gegen Hausdurchsuchungen. Einmal mehr wird auf die Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht eingetreten.
Bekanntlich erfordert die Beschwerde gegen Zwangsmassnahmen ein aktuelles und praktisches Rechtsschutzbedürfnis (Art. 28 Abs. 1 VStrR). Dieses fehlt nach bundesstrafgerichtlicher Rechtsprechung bei Hausdurchsuchungen regelmässig dann, wenn diese bereits abgeschlossen ist (TPF 2017 93 E. 2.2; BV.2010.54 v. 5.10.2010, E. 1.3). Die Beschwerdeführerin trug in dem wegen Verstössen gegen die direkte Bundessteuer geführten Verfahren dagegen vor, dass die angefochtene Hausdurchsuchung noch nicht abgeschlossen sei, „da ein Grossteil der von der Beschwerdegegnerin gewünschten elektronischen Daten von den Mitarbeitenden der Beschwerdeführerin erst von Archiven und Back-ups zusammengestellt werden müssen und diese Daten der Beschwerdegegnerin [der ESTV] noch nicht übergeben werden konnten (…).“
Das Bundesstrafgericht folgt dem nicht und stellt auf einen formellen Durchsuchungsbegriff ab. Hiernach endet die Hausdurchsuchung mit der Unterzeichnung des Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokolls, in welchem die Uhrzeit des Endes der Hausdurchsuchung festgehalten wird. Anschliessend „verlassen die untersuchenden Beamten die Räumlichkeit (…) und damit die durch das Recht auf Achtung der Wohnung geschützte räumliche Sphäre. Damit wird die Hausdurchsuchung und der damit verbundene Eingriff in die Freiheitsrechte beendet (Bangeter, a.a.O., S. 227).“ (E. 2.2.3) Die Rechtmässigkeit der Hausdurchsuchung könne im Übrigen im Entsiegelungsverfahren geprüft werden, wenn – wie hier – die Siegelung der sichergestellten Gegenstände beantragt wurde (E. 2.3.2).
Diese rein formalistische Sicht übersieht jedenfalls, dass der mit der Hausdurchsuchung einhergehende Zwang weiterhin als Damoklesschwert über den noch herauszugebenden Daten schwebt. Werden diese nicht geliefert, so stehen die Untersuchungsbeamten direkt wieder vor, besser: im, Haus. Der Zwangslage der Durchsuchung wirkt somit gleichwohl fort. Zudem steht die Überprüfung im Entsiegelungsverfahren im alleinigen Ermessen der Untersuchungsbehörde, dient also gerade nicht als überprüfende Instanz. Beantragt diese nämlich keine Entsiegelung oder wartet sie mit diesem Antrag so lange zu, wie ihr dies beliebt (was das Bundesgericht in 139 IV 246 möglich machte, vgl. dazu kritisch etwa https://wi-j.com/wp-content/uploads/2016/07/Wij_2013-3.pdf, S. 171 f.), so bleibt der damit einhergehende Rechtsschutzgedanke entweder für immer oder aber zumindest für lange Zeit ein frommer Wunsch. Die mit der – möglicherweise ja doch rechtswidrigen – Hausdurchsuchung verbundene katastrophale Aussen- und Innenwirkung bleibt jedenfalls vorläufig unüberprüfbar zurück. Zuletzt überrascht doch, dass das Gericht zur Begründung auf die Dissertation von Simon Bangeter, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen im Wettbewerbsrecht, Zürich 2014, abstellt. Zwar erklärt das Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen in Art. 42 Abs. 2 die Zwangsmassnahmen der Art. 45 - 50 VStrR für „sinngemäss anwendbar“. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist das Kartellverfahren gleichwohl ein Verwaltungsverfahren (anders liessen sich Auskunftspflicht und die "unverzichtbare" Kronzeugenregelung wohl nur schwerlich begründen [diesbezüglich vorsichtig optimistischer und sehr lesenswert übrigens Heine/Roth, Kartellrechtsrevision 2010: Rechtsgutachten zur Sanktionierung von natürlichen Personen und Unternehmen, S. 72 ff.; abrufbar unter: http://www.alexandria.admin.ch/GW+Nr+20_1.pdf]), weswegen sich auch die entsprechende Handhabung der Untersuchungsmassnahmen nach dessen Grundsätzen richtet. Wenn schon, muss also das Verwaltungsstrafrecht die Auslegung der Zwangsmassnahmen im Verwaltungsstrafverfahren vorgeben, nicht aber das kartellrechtliche Verständnis dieser Normen.
Zitiervorschlag: Frank, Rechtsschutzinteresse bei Beschwerde gegen Hausdurchsuchung (Art. 48 f. VStrR), in: www.verwaltungsstrafrecht.ch v. 03.10.2018
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