Rechtsverzögerungsbeschwerde (Art. 27 VStrR)
Im Beschluss vom 3. März 2021 (BV.2020.42-44; abrufbar unter: https://bstger.weblaw.ch/cache/pub/cache.faces?file=20210303_BV_2020_42.htm&ul=de) befasst sich die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit einer Beschwerde wegen Säumnis (Art. 27 Abs. 1 und Abs. 3 VStrR) und der Kostenverteilung im Fall der Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.
Dem Beschwerdeverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 14. Mai 2019 hielten schweizerische Zollbeamte drei Personen (A., B. und C.) beim Grenzübergang Chiasso-Strada zwecks Kontrolle an und stellten bei jedem je EUR 10'000.-- (insgesamt EUR 30'000.--) Bargeld vorläufig und infomell sicher (Art. 104 Abs. 1 Zollgesetz, nachfolgend "ZG"). Angeblich konnten auf dem Bargeld Spuren von Drogen festgestellt werden. Rund ein Jahr darauf, am 30. April 2020, beschwerten sich A., B. und C. offenbar ergebnislos bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (nachfolgend: "EZV") wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, weil infolge der Sicherstellung keine anfechtbare Verfügung erlassen worden sei. In der Folge erhoben A., B. und C. am 29. Oktober 2020 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, das auf die Beschwerde nicht eintrat und die Sache an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts überwies. Während des Beschwerdeverfahrens vor Bundesstrafgericht zog die EZV das sichergestellte Bargeld sodann mit Verfügung vom 9. November 2020 gestützt auf Art. 104 Abs. 4 ZG selbstständig ein.
Vor dem Hintergrund der selbstständigen Einziehungsverfügung der EZV vom 9. November 2020 erachtete die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos (E. 3). In Anwendung von Art. 72 BZP (Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 62 ff und Art. 71 BGG analog; Entscheid des Bundesstrafgerichts BV.2015.21 vom 15. Dezember 2015) verteilte die Beschwerdekammer des Bundestrafgerichts die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (E. 4.1). Im Rahmen der Kostenverteilung gelangte die Beschwerdekammer zum Schluss, dass die EZV, indem sie es während 18 Monaten unterliess, eine formelle und anfechtbare Beschlagnahme- oder Einziehungsverfügung über das sichergestellte Bargeld zu erlassen, die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) der Betroffenen verletzte und damit den Grund für das Verfahren setzte (E. 4.2). Entsprechend erstattete die Beschwerdekammer den Beschwerdeführern die bevorschussten Gerichtskosten zurück (Art. 66 Abs. 4 BGG) und sprach ihnen eine Parteientschädigung von je CHF 1'610 zulasten der EZV zu (Art. 68 Abs. 1 BGG analog und Art. 12 Abs. 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren (BStKR).
Der Entscheid ist im Ergebnis mit Sicherheit zu begrüssen. Mit der Verteilung der Prozesskosten und der Feststellung, dass die informelle Sicherstellung des Bargelds der Beschwerdeführer durch die Zollbeamten und das Unterbleiben einer (frühzeitig erlasseneren) Einziehungsverfügung die Eigentumsgarantie der Beschwerdeführer verletzt, lässt die Beschwerdekammer durchblicken, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Rechtsverzögerungsbeschwerde voraussichtlich obsiegt hätten (siehe auch Beschluss der Beschwerdekammer vom 22. Dezember 2017 BV.2017.46 abrufbar unter: https://bstger.weblaw.ch/pdf/20171222_BV_2017_46.pdf). Vor allem offenbart sich in dem Entscheid aber ein strukturelles Problem, welches zwischen vorläufiger/provisorischer Sicherstellung nach Art. 104 Abs. 1 ZG (bei Grenzübertritt) und dem zeitlich oftmals massiv nach hinten verlagerten Erlass einer selbstständigen Einziehungsverfügung nach Art. 104 Abs. 4 ZG i.V.m. Art. 66 VStrR besteht (massiv deswegen, weil der Zoll in dieser Zeit, die Staatsanwaltschaft für ein Verfahren zu gewinnen versucht, was von Letzterer aufgrund Beweisproblematik regelmässig abgelehnt wird, so dass dann "nur" der Weg über Art. 104 Abs. 4 ZG bleibt). Bisher ist nämlich nicht klar, ob - neben der Rechtsverzögerungsbeschwerde - ein ordentliches Rechtsmittel in Form der (Zwangsmassnahmen-)Beschwerde gegen die Sicherstellung als solche besteht. Wollte man dies verneinen (so etwa Heimgartner in Kocher/Clavadetscher, Kommentar ZG, Art. 104 N 23), was im Hinblick auf die Eigentumsgarantie nicht unproblematisch erscheint, so fragt sich, welche Zeitspanne für den Erlass einer selbstständigen Einziehungsverfügung gewährt werden kann. Anderthalb Jahre - wie hier - sind mit Sicherheit zu lange. Aber auch ein halbes Jahr, ein Monat, ja gar ein Tag sind eine lange Zeit, wenn man als Betroffener nicht über sein Eigentum verfügen kann. Viel sinnvoller wäre deswegen, wenn bereits gegen die Sicherstellung Beschwerde geführt werden kann (so etwa BSK VStrR-Frank, Art. 66 N 6), nicht nur Rechtsverzögerungsbeschwerde gegen deren übermässige Dauer. Damit bestünde im Übrigen auch für den Zoll Rechtssicherheit.
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