Verwaltungsstrafrecht

Mit BE.2023.26 vom 9. Januar 2024 und BE.2023.28, ebenfalls vom 9. Januar 2024, gibt es zwei neue Siegelungsentscheide des Bundesstrafgerichts. Besonders spektakulär sind die beiden Entscheide nicht - aber eines fällt auf: Die ESBK, welche in beiden Verfahren die Untersuchung führt, interessiert sich ganz offensichtlich nicht für die 20-tägige Frist zur Stellung eines Entsiegelungsgesuchs (Art. 248 Abs. 2 StPO analog). Im erstgenannten Entscheid stellte sie dieses nach 31 Tagen, im zweitgenannten nach 23 Tagen.

Dies ist nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichts eindeutig zu spät. So führt das Gericht in BGE 148 IV 221, E. 3.3 aus: "Der sachgerechte Ablauf würde überdies nahelegen, dass die Frist für das gemäss Art. 248 Abs. 2 StPO innert 20 Tagen zu stellende Entsiegelungsgesuch ab dem Zeitpunkt der Siegelung zu laufen beginnt und dieses nicht wie hier bereits vorher eingereicht wird." Zwar wird diese Rechtsprechung vom Bundesstrafgericht negiert (zuletzt in BE.2023.15, BP.2023.60 v. 09.11.2023, E. 1.4), das ändert indes nichts daran, dass eine Bundesgerichtsbeschwerde bei verspätetem Entsiegelungsgesuch durchaus Erfolgschancen hat. Zumal auch der Wille des Gesetzgebers eindeutig ist: So sieht Art. 183 Abs. 3 des Vorentwurfs zum Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht und das Verwaltungsstrafverfahren (in der Vernehmlassung) nun sogar ausdrücklich vor: "Stellt die Verwaltungseinheit nicht innert zwanzig Tagen ein Entsiegelungsgesuch, so werden die versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände der Inhaberin oder dem Inhaber zurückgegeben." Es ist also evident, dass der Gesetzgeber einen entsprechenden Gleichlauf der strafprozessualen und verwaltungsstrafrechtlichen Entsiegelungsverfahren wünscht - nichts anderes macht(e) auch Sinn (vgl. bereits Frank/Blattner/Leu, WiJ 2013, 171 ff.).

BStrGer BE.2023.26 v. 9. Januar 2024 ist hier abrufbar: https://bstger2.weblaw.ch/pdf/20240109_BE_2023_26.pdf

BStrGer BE.2023.28 v. 9. Januar 2024 ist hier abrufbar: https://bstger2.weblaw.ch/pdf/20240109_BE_2023_28.pdf