Siegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR), Art. 9 und 37 GwG, Art. 46 Abs. 3 VStrR
Der Siegelungsentscheid des Bundesstrafgerichts vom 4. September 2017 (abrufbar unter: https://bstger.weblaw.ch/pdf/20170904_BE_2017_2.pdf) ist in zweifacher Hinsicht besonders erwähnenswert. Zum einen hat das Gericht - was ausgesprochen selten ist - erhebliche Zweifel, ob der hinreichende Tatverdacht einer unterlassenen Verdachtsmeldung nach Art. 9 GwG (und damit eine Verwaltungsstraftat nach Art. 37 GwG) wirklich gegeben ist. Zum anderen konkretisiert das Bundesstrafgericht mit seinem Entscheid das Urteil des Bundesgerichts 1B_85/2016, in welchem - anders als hier - ein Entsiegelungsgesuch betreffend anwaltlich verfassten Untersuchungsberichten gutgeheissen wurde.
Der dem Beschluss zugrunde liegende Sachverhalt hatte grosse mediale Auswirkungen. Das muss auch der Gesuchsstellerin, dem EFD, bekannt gewesen sein, als sie ihr Entsiegelungsgesuch stellte. Warum dies gleichwohl nicht innert der zwanzig-tägigen Frist geschah, welche die StPO dem Gesuchssteller im ordentlichen Strafverfahren auferlegt, ist klar: das Bundesstrafgericht selbst empfahl zwar die Einhaltung dieser Frist, sah sie im Verwaltungsstrafverfahren aber gleichwohl nicht als rechtlich verbindlich an. Da sind sie wohl, die Geister, die man rief, ist doch die Aussenwirkung zumindest diskutablel: die Untersuchungsbehörde kann mit ihrem Gesuch so lange zuwarten, wie sie will - der Betroffene aber muss innert dreier Tage eine begründete Beschwerde erheben, wenn er sich gegen Zwangsmassnahmen wehren will. Die Spiesse könnten nicht unterschiedlich lange sein.
Hinsichtlich dem Gesuch selbst geht das Bundesstrafgericht dann wie regelmässig zweistufig vor: zunächst prüft es, ob die Durchsuchung im Grundsatz zulässig ist, dann, ob schützenswerte Geheimhaltungsinteressen einer Entsiegelung entgegenstehen.
Die Durchsuchung selbst erfordert das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts. Das Gericht prüft diesen in Bezug auf die von der Gesuchstellerin vorgebrachte Meldepflichtverletzung im Sinne von Art. 9 GwG und hält - nach einigen Ausführungen zu möglichen Verdachtsmomenten - fest:
"Es ist jedoch aufgrund des Umstands, dass es sich bei den Kunden der B. AG um die Geschädigten handelt, höchst zweifelhaft, ob angenommen werden darf, der Tatbestand der Meldepflichtverletzung nach Art. 9 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 GwG sei erfüllt, dürften doch die Vermögenswerte der Kunden der B. AG gerade nicht verbrecherischen Ursprungs sein." (E. 4.4)
Diese Einschätzung ist vollkommen richtig und hätte auch vom EFD bereits zu Beginn geprüft werden müssen. Es bedarf einer Meldung nach Art. 9 Abs. 1 lit. a GwG nämlich nur dann, wenn der Verdacht besteht, dass die fraglichen Vermögenswerte aus einem Verbrechen (oder jetzt neu: einem qualifizierten Steuervergehen) resultierten. Wenn sie dies nicht tun, so ist auch keine Meldung an die MROS erforderlich. Folgerichtig besteht dann aber auch kein Verdacht einer Straftat nach Art. 37 GwG.
Im Ergebnis lässt das Bundesstrafgericht diese Prüfung aber offen und verneint eine Entsiegelung, weil einer Durchsuchung ohnehin schützenswerte Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Dies, da es sich bei dem gesiegelten Dokument um einen anwaltlichen Untersuchungsbericht handelt der dem Berufsgeheimnis unterfällt, welches - wie sich auch aus Art. 46 Abs. 3 VStrR ergibt - besonders schützenswert ist. Wenn es um die Entsiegelung interner Untersuchungsberichte geht, ist natürlich immer an das heftig umstrittene Urteil des Bundesgerichts 1B_85/2016 vom 20. September 2016 zu denken (abrufbar unter: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bger/160920_1B_85-2016.html) - und das tut auch das Bundesstrafgericht, sieht dabei aber - zu Recht - einen sachberhaltlich relevanten Unterschied, welcher den Untersuchungsbericht dem Berufgeheimnis unterfallen lässt:
"Im vorliegend zu beurteilenden Fall wurde die C.AG [die den Bericht erstellende Anwaltskanzlei] nicht deshalb von der Gesuchsgegnerin mandatiert, weil jene Complaince- und Controling-Aufgaben der Bank hätte wahrnehmen müssen, sondern weil es darum ging, den Sachverhalt im Zusammenhang mit den Geschäftsbziehungen der Gesuchsgegnerin und externen Vermögensverwaltern (...) festzustellen, diesen rechtlich zu würdigen und entsprechende Empfehlungen abzugeben. Anders als im vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall bestand vorliegend auch zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer Umgehung der Bestimmungen des GwG." (E. 6.5).
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