Verwaltungsstrafrechtliche Untersuchungsmassnahme vs. verwaltungsrechtlicher Augenschein
Mit Beschluss vom 18. August 2023 (BV.2023.23 u. 24; hier abrufbar: https://bstger2.weblaw.ch/pdf/20230818_BV_2023_23.pdf) hiess das Bundesstrafgericht eine Beschwerde gut, mit welcher sich die beiden Beschwerdeführer gegen eine Haushaltskontrolle des BAKOM wehrten.
Hintergrund war das Gesuch des einen Beschwerdeführers um Befreiung von der Radio- und Fernsehabgabe nach Art. 109c Abs. 1 RTVG bzw. Art. 94 RTVV, welches von der Serafe AG im Februar 2023 gutgeheissen worden war. Gleichwohl erkundigte sich das BAKOM im April 2023 «in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachts auf eine Widerhandlung gegen die Radio- und Fernsehgesetzgebung» beim Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern, ob die beiden Beschwerdeführer als Fahrzeughalter gemeldet seien, was verneint wurde. Sodann liess das BAKOM im April 2023 eine Kontrolle in deren Haushalt vornehmen. Es stützte sich dabei auf Art. 109c Abs. 3 RTVG, wonach es einen befreiten Haushalt betreten kann, um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung gegeben sind. Anlässlich dieser Kontrolle stellte die «untersuchende Beamtin» das Vorhandensein eines empfangsgeeigneten Gerätes i.S.v. Art. 95 RTVV fest und erstattete Meldung wegen des Verdachts einer Widerhandlung i.S.v. Art. 109c Abs. 5 RTVG. Einen Tag nach der Kontrolle erhoben die beiden Beschwerdeführer «Verwaltungsbeschwerde» ans BAKOM und rügten Mängel bei der Durchführung der Kontrolle, den fachlichen resp. sachlichen Kompetenzen der untersuchenden Beamtin sowie im Umgang mit Verfügungen des BAKOM. Letzteres erliess in der Folge einen «Beschwerdeentscheid gegen Untersuchungshandlungen» i.S.v. Art. 27 f. VStrR, mit welchem es die Beschwerde abwies, wobei es auf einige Rechtsbegehren der Beschwerdeführer gar nicht eintrat. Diese gelangten hiergegen ans Bundesstrafgericht und beantragten, auf die nicht behandelten Rechtsbegehren sei einzutreten.
Ausgehend von der Feststellung, dass die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens analog Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO einen hinreichenden Tatverdacht voraussetze (wenngleich das VStrR im Gegensatz zu Art. 309 Abs. 3 StPO keine Eröffnungsverfügung kenne), hielt das BStGer dafür, dass i.c. anhand der Akten keinerlei Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung der Beschwerdeführer bestanden hätten. Ein Gesuch um Befreiung von der Radio- und Fernsehabgabe könne jedenfalls keinen hinreichenden Tatverdacht begründen. Aufgrund der Vorgehensweise des BAKOM sei unklar, ob dieses sich verpflichtet gesehen habe, im Vorfeld einer Haushaltskontrolle i.S.v. Art. 109c Abs. 3 RTVG eine verwaltungsstrafrechtliche Untersuchung zu eröffnen. Hierbei hätte es sich jedoch um eine irrige Annahme gehandelt, denn der Zweck einer Haushaltskontrolle liege nicht in der Beschaffung von Beweismitteln zwecks Erhärtung oder Widerlegung eines zuvor schon bestehenden Tatverdachts, sondern in der Überprüfung, ob die Voraussetzungen einer Befreiung von der Abgabepflicht i.S.v. Art. 109c Abs. 1 RTVG vorliegen oder nicht. Mithin handle es sich um einen verwaltungsrechtlichen Augenschein und nicht um eine verwaltungsstrafrechtliche Untersuchung. Folglich stehe der in den Art. 26 ff. VStrR vorgesehen Rechtsmittelweg nicht offen und seien Beanstandungen betreffend die Art und Weise der Kontrolle mittels ordentlicher Verwaltungsbeschwerde geltend zu machen seien. Da der angefochtene Entscheid des BAKOM auf einer falschen Rechtsgrundlage basiere, sei er aufzuheben und habe das BAKOM die Eingabe der Beschwerdeführer als Verwaltungsbeschwerde entgegenzunehmen und zu behandeln.
Dem Entscheid des BStGer ist in rechtlicher Hinsicht nichts hinzuzufügen. Der Mangel eines fehlenden hinreichenden Tatverdachts kann weder durch die formelle Eröffnung eines Verwaltungsstrafverfahrens noch durch die Einsetzung von «untersuchenden Beamtinnen/Beamten» oder die Etikettierung bestimmter Massnahmen als «Untersuchungshandlungen» geheilt werden. Vor diesem Hintergrund mutet das Vorgehen des BAKOM doch reichlich befremdlich an.
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