Entwurf Nachrichtendienstgesetz und die Medien
Skandal! Der Tagesanzeiger berichtet in der heutigen Ausgabe (online hier abrufbar: https://www.tagesanzeiger.ch/nachrichtendienst-droht-mit-drakonischen-bussen-671793150645) darüber, dass der "Geheimdienst (...) mit hohen Bussen" drohe. Der "Geheimdienst will", so heisst es ganz überrascht, "in gewissen Fällen ermittelnde und strafende Behörde gleichzeitig sein." Und: Im Entwurf für das neue Gesetz (abrufbar hier: https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2022/15/cons_1/doc_1/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-dl-proj-2022-15-cons_1-doc_1-de-pdf-a.pdf) heisst es: "Wer vorsätzlich einer Verfügung nicht fristgerecht nachkomme, werde mit einer Busse in Höhe von bis zu 100'000 Franken bestraft. Dieser Betrag ist fernab von allem, was bei vergleichbaren Übertretungen im Strafgesetz möglich ist".
Die Empörung ist richtig - überrascht aber gleichwohl sehr. Denn all das ist seit vielen Jahren gängige Praxis im Verwaltungsstrafrecht, welches unzählige Rechts- und Lebensbereiche betrifft. So sehen mehrere Gesetze Bussen von 100'000.-- Franken oder mehr vor (vgl. etwa Art. 96 MWSTG, Art. 37 GwG, Art. 70 Energiegesetz, Art. 131 BGS, Art. 89 und 90 FIDLEG, Art. 117 ff. ZG [Busse bis zum Fünffachen des hinterzogenen Zollabgabenbetrags ] etc. pp.) - zudem sind hohe Bussen auch bei blossen Fahrlässigkeitsdelikten die Regel (insofern ist das Nachrichtendienstgesetz geradezu milde, bestraft es doch nur vorsätzliches Fehlverhalten). Die im Verwaltungsstrafrecht tätigen Bundesverwaltungsbehörden sind (leider!) immer ermittelnde und strafende Börde gleichzeitig. Letzteres ermöglicht insbesondere eine höchst umstrittene Rechtsprechung des Bundesgerichts (hier finden sich weitere Infos: https://verwaltungsstrafrecht.ch/de/kategorien/materielles-recht/die-verjahrung-im-verwaltungsstrafrecht-besprechung-des-bundesgerichtsentscheids-6b2072017-von-macalusogarbarski-ajp-2018-1-s-117-122), dieser Umstand wird aber auch ganz erheblich von Teilen der Politik gefordert, welche die Bundesverwaltungsbehörden verjährungsrechtlich einem erstinstanzlichen Gericht gleichstellen will (vgl. dazu etwa: https://verwaltungsstrafrecht.ch/de/kategorien/materielles-recht/strafverfugung-und-verjahrung-art-11-abs-3bis-e-vstrr). Selbstverständlich werden Bussgeldrahmen nicht ausgeschöpft - allerdings werden Bussen ab 5'000.-- Franken im Strafregister eingetragen (Art. 3 Ziff. 1 lit. c Abs. 1 VOSTRA). Es bleibt spannend, welche Folgen ein solcher Eintrag für das Gastwirtepatent hat und ob es deswegen entzogen werden kann.
Es wäre toll, wenn sich die Medien nicht immer nur auf aktuelle Fragestellungen werfen würden, sondern das grosse Ganze im Blick hätten - denn hier gäbe es viel Diskussions- und Verbesserungspotential!
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